Die Fahrt nach Kappadokien
13. Mai 2010
Die Felsenkirchen in Göreme
Hier schauten wir von der Hochebene in ein Tal. Mitten drin erblickten
wir einige Häuser. Man muss schon sehr genau hinsehen, um sie
zu erkennen. Es ist Göreme, was so viel bedeutet wie "Du
siehst mich nicht". Der Ort liegt im Zentrum des Dreiecks, das
wir in diesen Tagen kennen lernten.
Bekehrt durch den Apostel Paulus entwickelte sich in Kappadokien schon
sehr früh eine christliche Gemeinde. Die Täler rund um Göreme
waren den frühen Christen willkommen, da sie hier ungestört
eine fromme Existenz führen konnten. Sie lebten überwiegend
in schwer zugänglichen Stellen, wie in Höhlen in den hoch
aufragenden Wänden von Tälern. Wurden sie gestört,
konnten sie sich dort verstecken. Nach dem großen Brand in Rom
unter dem römischen Kaiser Nero wurden die Christen extrem verfolgt.
Erst unter dem römischen Kaiser Konstantin verbesserte sich die
Situation der Christen. Es war die Zeit nach 312 n. Chr., als in Rom
christliche Basiliken errichtet wurden, so wie die christliche Monumentalbasilika
auf dem Lateran (siehe auch ../rom/lateran.htm).
Spätere römische Kaiser, besonders nach der Teilung des
Reiches, führten den christlichen Glauben als Staatsreligion
ein.
Im oströmischen, dem Byzantinischen Reich, blühte das Christentum
in der römischen Provinz Kappadokien auf. In den folgenden Jahrhunderten
entstanden viele Klostergemeinschaften, die sich durch kleine geschlossene
Gemeinschaften auszeichneten. Sie nutzten die natürlichen Gegebenheiten
der Tuffregion und zogen in abgeschiedene Täler. Hier entstanden,
wie in dem Tal bei Göreme, zahlreiche Kirchen und Klöster.
Als Vorbild für die kappadokischen Kirchen dienten die aus Stein
errichteten Kirchen in anderen Teilen des Landes. Es wurden bereits
bekannte Kirchentypen kopiert und quasi in einer Negativarchitektur
inklusive der Gewölbe und Säulenkonstruktionen aus dem Tuffstein
gehauen. Diese Strukturen mit den Gewölben und Säulen begegneten
uns in den Kirchen, die wir besuchten, immer wieder. Im 7. Jahrhundert,
mit der Entstehung des Islam, wurden die Grenzen des Byzantinischen
Reiches bedrängt und die Christen mussten sich wieder verstecken.
Nach der Eroberung Anatoliens 1.071 n. Chr. durch die turkmenischen
Seldschuken, die von Mittelasien kamen, wurde das Land islamisiert.
Die Seldschuken tolerierten jedoch die christliche Religion. In der
Zeit danach entstanden in den Felsenkirchen, die wir besuchten, die
Fresken, die wir zu sehen bekamen. Sie entstanden, um den Menschen,
die ja nicht lesen konnten, das Leben von Jesus Christus näher
zu bringen. Um 1453 eroberten die Osmanen Kappadokien. Sie lösten
die Klöster auf und damit entwickelte sich das Christentum in
dieser Region nicht weiter. 1924 wurde die christliche Gemeinde in
Kappadokien, nach dem Sieg von Atatürk über die Griechen
und dem Vertrag über den Völkeraustausch, zum größten
Teil aufgelöst. Die Griechen aus dieser Region mussten nach Griechenland
umziehen. Die
Felsenkirchen gerieten in Vergessenheit und wurden zum Teil erst Mitte
des 20. Jahrhunderts wieder entdeckt.
Wir schauten uns einige der Kirchen im Freilichtmuseum von Göreme
an, dem Ort, der so viel bedeutet, wie "Du siehst mich nicht".
Hier lebten nicht nur Mönche, sondern auch Nonnen. Gleich nach
dem Eingang links hatten die Nonnen ihr Domizil. Sechs Etagen sollen
sich in dem Felskegel im rechten Bild befinden. Bis vor kurzem konnte
man einen Speisesaal, die Küche und einige Zimmer in der ersten
Ebene und eine kleinen Kapelle eine Etage höher noch besichtigen.
Wegen Einsturzgefahr durften wir jedoch nicht mehr hinein. Andere
Kirchen, Kapellen und sonstige Räume konnten wir jedoch noch
besichten. Unser Weg führte uns zur Apfelkapelle, der Elmali
Kilise, die auf halber Höhe zwischen einem Tal rechts und der
Felswand links steht. Auch sie befindet sich in einem Tuffkegel. Um
in diese Kirche zu gelangen, mussten wir erstmal in gebückter
Haltung einen niedrigen Gang passieren. In der Kirche waren wir überwältigt
von der Pracht der Fresken. Aus dem 11. und 12. Jahrhundert sollen
die Fresken stammen. Sie sind noch sehr gut erhalten. Schaut, das
gesamte Kircheninnere ist komplett bemalt.
Obwohl es sich hier nur um eine kleine Kreuzkuppelkirche mit insgesamt
9 Kuppeln handelt, sind so viele Szenen aus der Bibel und dem Leben
Christi dargestellt , dass wir sie in der kurzen Zeit gar nicht erfassen
konnten. Doch woher hat diese Kirche ihren Namen? Es gibt mehrere
Erklärungen. Die einen meinen, in der Kugel, die der Erzengel
Gabriel in der Hand hält, einen Apfel erkannt zu haben, die
anderen hielten den runden Gegenstand, den Jesus auf einem der Bilder
in der Hand hält, für einen Apfel und so gaben sie der Kirche
diesen Namen. Es könnte aber auch sein, dass die Kirche ihren
Namen dem Apfelgarten verdankt, der vor langer Zeit vor dem Haupteingang
stand, bevor das Gelände abbrach und in die Schlucht stürzte.
Wer weiß! Die ursprünglichen Namen der Kirchen sind heute
nicht mehr bekannt. Die hier später ansässig gewordenen
türkischen Bauern haben den Kirchen diese heutigen Bezeichnungen
gegeben.
Ein paar Schritte weiter standen wir vor der im gleichen Felsblock
eingehauenen Barbara Kirche. Sehr viel einfachere Wandmalereien erwarteten
uns hier. In den Gewölben erkannten wir Strukturen, die wohl
Mauerwerk darstellen sollen. Es ist denkbar, dass hier das Gefühl
vermittelt werden sollte, sich in einer gemauerten Kirche zu befinden.
Ansonsten wurden die Wände überwiegend mit Symbolen geschmückt.
Das spricht dafür, dass diese Wandmalereien in der Zeit vor und
während des Bilderstreits entstanden. Vor dem Bilderstreit schmückten
die Maler die Kirchen mit frühchristlichen Symbolen, wie Fischen,
Kreuzmotiven, Medaillons, Flechtornamenten und Pflanzendarstellungen.
In der Zeit des Bilderstreits erscheint dann das Kreuz als wichtigstes
Symbol der Christenheit. Wann war dieser Bilderstreit und worum ging
es? Es begann in die Regierungszeit vom byzantinischen Kaiser Leo
III.. Er war syrischer Herkunft und regierte von 717 bis 741. Unter
dem Einfluss jüdischer und arabischer Anschauungen wurde die
bildliche Darstellung von Christus, den Aposteln und Heiligen als
Sünde angesehen und die Verehrung von Heiligenfiguren verboten.
Nach Beendigung des Bilderstreites, 843 n. Chr., entwickelte sich
ein Stil, in dem erzählende Szenen zunehmend beliebter wurden,
während ornamentale Muster und die frühchristliche Symbolik
zunehmend in den Hintergrund gerieten. Es kam zu einer Blütezeit
des byzantinischen Mönchstums. In dieser Zeit wurde große
Aufmerksamkeit in die sorgfältige Ausschmückung der Kirchen
verwendet. Viele Kirchen, die zuvor mit einfachsten geometrischen
Motiven ausgemalt waren, wurden nun übermalt. Die besten Künstler
jener Zeit wurden nach Kappadokien gesandt, um die Kirchen in und
um Göreme mit biblischen Szenen auszumalen. Deren Meisterwerke
bekamen wir hier in den Höhlenkirchen vom Freiluftmuseum in Göreme
zu sehen.
Schaut, im Bild oben rechts werden die heiligen St. Gregorius und
St. Theodorius auf Pferden gezeigt, wie sie gegen die Schlange, dem
Sinnbild für den Teufel, kämpfen. Diese Bilder sind wohl
später entstanden. Sie sind jedoch sehr blass. Das liegt an der
Maltechnik. Hier in der Barbarakirche wurde ohne eine Putzschicht
die Farbe direkt auf die Wand aufgebracht. Die Farbe „Rot“
war das Blut von Hähnen. Die anderen Farben bestanden aus verschiedenen
Pulvern, die mit Flüssigkeit vermischt und angerührt wurden.
In der Apfelkirche wurde eine andere Technik angewandt, die Temperatechnik.
Sie bestand daraus, dass man zuerst Heu, Kalk und Sand gemischt und
dann als Putzschicht feucht auf die Wand aufgetragen hat. Auf die
getrocknete Putzschicht wurden die Fresken gemalt. Die Farbe wurde
von der Putzschicht so gut aufgenommen, dass sie bis heute noch recht
gut erhalten geblieben ist.
Diese Maltechnik wurde auch in der "Dunklen Kirche" angewandt.
Sie
befindet sich tief im Innern der gegenüber liegenden Felswand.
Der Eingang liegt etwas tiefer und wir gelangten über eine schmale
Treppe in die riesige Vorhalle. Es sieht so aus, als ob diese Halle
früher mal geschlossen war und irgendwann die Felswand davor
abgebrochen ist. Hier in der Vorhalle sahen wir wieder die geometrischen
Muster, wie wir sie schon in der Barbara-Kirche gesehen hatten. Um
in die Dunkle Kirche zu gelangen, mussten wir zunächst einen
weiteren Obolus entrichten. Dann durften wir durch den Eingang, links
neben dem Hinweisschild, gehen.
Eine weitere Treppe mussten wir hochsteigen und dann gelangten wir
in den nächsten Vorraum. Hier m waren die Wände komplett
mit Fresken bemalt. Was musste uns da in der Kirche erwarte?. Es war
überwältigend: Jede Wand, jedes Deckengewölbe, jeder
Bogen und jede Säule war kunstvoll gestaltet. Lasst die Bilder
auf euch wirken. Sie sind nur ein Bruchteil dessen, was dort zu sehen
ist.
Ich kann nur sagen, hinfahren und ansehen, aber viel Zeit mitbringen,
um alles zu erfassen. Es sind hier Geschichten aus der Bibel dargestellt.
Um
diese zu erkennen, benötigt man schon mehr Zeit, als uns zur
Verfügung stand. Die Fresken in dieser Kirche sind so gut erhalten,
weil in diese Räume kein Tageslicht herein fällt und sie
meisterlich restauriert wurden.
Diese Kirchen gehörten alle zu Klosteranlagen. Doch wo waren
das Refektorium, der Speisesaal, die Schlafräume und die übrigen
Nebenräume? Sie lagen hinter den vielen Öffnungen hier in
dieser Felswand. Neugierig, wie wir waren, traten wir durch eine der
Öffnungen in den dahinter liegenden Raum ein. Es war ein Refektorium.
Tische und Stuhle aus Holz hatten die Bewohner wohl nicht, sie haben
sie aus dem
Fels gehauen. Der Felsblock in der Mitte war der Tisch und auf den
seitlichen Steifen haben sie gesessen, wie im rechten Bild dargestellt.
Zum Abschluss besuchten wir im Freiluftmuseums von Göreme noch
die Kirche mit den Sandalen. Die Eisentreppe auf dem rechten Bild
führt hinauf zu der Kirche. Ich vermute, dass der Raum, in dem
die Treppe steht früher auch eine Höhle war und durch Erosion
das vordere Deckgestein zusammen gebrochen war. Wir stiegen die Treppe
hinauf und gelangten oben in einen Vorraum, in dem ein Gitterrost
eine Vertiefung abdeckte. Rechts und links waren noch mehr Vertiefungen
zu sehen.
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Das waren wohl Gräber. In einigen kleineren Kapellen sind weitere
solche Mulden zu sehen. Das erinnerte mich an eine Geschichte, die
ich gehört hatte. Es gab eine Zeit, in der vermögende
Menschen gegen ein entsprechendes Salär im Vorraum einer Kirche
bestattet wurden. Nach einiger Zeit drangen aus dem Grab unangenehme
Gerüche. Die Gläubigen mussten an den stinkenden Gräbern
der Reichen vorbei, um in die Kirche zu gelangen. So entstand der
Begriff "stinkreich".
In der Kirche selbst sahen wir Fresken, die ähnlich aussahen,
wie in den Kirchen, die wir vorher besucht hatten. Die Kirche wurde
nach dem Fußabdruck unter der Himmelfahrtsszene benannt. Diese
Szene soll eine exakten Kopie des gleiche Motivs in der Himmelfahrtskirche
zu Jerusalem sein. Beides hatten wir nicht erkannt. Es sind zu viele
Eindrücke, die in diesen Kirchen auf einen einströmen.
Vier der sieben für die Allgemeinheit zugänglichen Kirchen
in diesem Museunstal hatten wir besucht. Es war eindrucksvoll. Wer
noch eine weitere Kirche besichtigen will, kann auf dem Weg zum
Busparkplatz noch in die Tokali Kirche, der Kirche mit der Schnalle,
gehen. Sie liegt direkt an der Straße.
Die Tokali Kirche gehört zu den größten Felsenkirchen
in dieser Region. Die Bauern aus dieser Gegend hatten den gewölbten
Eingang einst zugemauert und ihn als Taubenschlag genutzt. Einmal
im Jahr öffneten sie den Eingang um den Taubendung heraus zu
holen. Dem Umstand des Zumauerns ist es zu verdanken, dass die Fresken
relativ gut erhalten sind. In ein riesiges Gewölbe traten wir
ein. Schaut, wie hoch es ist. Die Menschen in dem linken oberen
Bild wirken recht klein gegenüber den hohen Säulen. Darüber
ist ein Fries zu sehen, auf dem der Lebensweg von Christus dargestellt
ist. Beginnend mit der Botschaft an Maria durch einen Traum, in
dem ihr die Engel erschienen, dem Nachweis der Jungfräulichkeit,
der Reise nach Bethlehem, die Geburt des Jesuskindes und vieles
mehr. Und darüber folgen noch weitere Etagen. Die ganze Front
wirkt auf mich wie die Fassade eines mächtigen Gebäudes,
einer Kirche. Links vom Eingang in dieses Kirchengewölbe führt
eine Treppe nach unten.
Hier fanden wir wieder Mulden, wie wir sie in der "Kirche mit
den Sandalen" bereits gesehen hatten. Es waren wohl Grabmulden.
Auch diese waren leer.
Über
dem Eingang zur Tokali Kirche sahen wir in einem Fels Fresken. Dort
gibt es noch weitere Kirchen. Diese sind jedoch wegen Einsturzgefahr
gesperrt.
Am Busparkplatz erwarten uns wieder Kamele. Mit ihnen könnten
wir die Täler
um Göreme herum erforschen. Wir stiegen jedoch in unseren Bus
auf dem Weg zum nächsten Ziel.
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